Veränderungen

Ich bin momentan an einem Punkt im Leben, an dem ich Einiges ändern möchte.

Mein Vater sagte einmal: Die Einschläge kommen immer dichter. Heute verstehe ich, was er meinte. Nein, ich sehe mich noch nicht am Ende des Lebens. Noch lange nicht. Aber ich hab gelernt und erleben müssen, dass man das eben nie so genau sagen kann. Das Ende des Lebens ist genau so nah wie es fern ist. Es kann jetzt, gleich oder morgen sein. Oder eben erst in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren. Aber es gibt es. 

In den letzten zehn Jahren habe ich schon mehrere Familienmitglieder und Freunde gehen lassen müssen. Und gestern starb eine liebe Netzwerkkollegin und Freundin. Auch sie hätte noch gerne gelebt. Wir haben uns etliche Male getroffen bei diversen Gelegenheiten. Aber nie privat. Sie hat mich mehrfach eingeladen zu sich nach Hause. Immer haben wir es verschoben – keine Zeit, zuviel Stress, erst diesen Auftrag oder jenes Projekt abschließen. Und jetzt kann ich Projekte machen bis zum Sanktnimmerleinstag, aber sie werde ich nicht mehr besuchen können. Außer auf dem Friedhof. :-(

Sicher, man muss seinen Job erfüllen, zuverlässig sein, engagiert arbeiten. Erst recht als Selbstständige. Aber man sollte nicht vergessen, dass es neben den Deadlines, die die Schreibtischarbeit bestimmen, immer auch eine andere, viel wesentlichere Deadline gibt, deren exakten Termin wir gar nicht kennen.

Ich spüre, dass mir im Moment die Berge auf meinem Schreibtisch gar nicht mehr so viel ausmachen wie früher. Da sind einige größere Kundenprojekte, mit denen ich deutlich im Verzug bin, weil ich aktuell ein bisschen mehr Zeit als sonst für private Dinge brauche. Aber ich nehme mir diese Zeit zunehmend leichteren Herzens. Dann muss der Job eben warten. Die Website der Kundin eben ne Woche später online gehen und das Konzept für die neue Kundenzeitschrift wird dem anderen Kunden eben erst ein bisschen später präsentiert. So what? Die Erde dreht sich weiter.

Ich bin deshalb keine schlechtere Dienstleisterin, wenn ich erkenne, was man so oft hört:

Arbeit ist das halbe Leben. Eben. Nur die Hälfte. Das sieht hier aber viel zu oft ganz anders aus. Deshalb hab ich mir vorgenommen: Mehr Leben, weniger Arbeiten.

Vor diesem Hintergrund hab ich auch begonnen, ungeliebte Projekte oder etliche von diesen Freundschaftsdiensten, die sicher alle Selbstständigen mit sich rum schleppen, nach und nach abzustoßen. Ich kann und will nicht mehr immer positiv auf diese “Kannste mal eben-Anfragen” reagieren, die Freunde, Verwandte oder Nachbarn an einen richten. Und ich kann und will auch keine Sonderangebote mehr machen, weil ich weiß, dass der Anfragende sich meine Preise nicht leisten kann. Ich kann aber gerne günstigere Dienstleister empfehlen. Außer bei Kreuzworträtseln. Da kenne ich niemanden, der solche Rätsel macht, wie wir sie anbieten und das auch noch günstiger. ;-)

Ich hab die Erfahrung gemacht, dass professionelle Arbeit, die nicht professionell bezahlt wird, auf die Dauer jede Freundschaft oder Beziehung belastet. Auch das ist ein Stück Lebensqualität: Trenne beruflich und privat. Ich arbeite gerne auch weiter für Menschen, die ich gut kenne. Aber ab sofort eben zu meinen ganz normalen Preisen. Und die werden zum Jahreswechsel wieder steigen. Die Inflation macht sich auch in meinem Portemonnaie bemerkbar.

9 Kommentare
  1. Susi sagte:

    Liebe Biggi, das hört sich alles nach eine sehr guten Idee an! Auch wenn sich manche Sachen nicht mehr ändern oder nachholen lassen … (ich bin sicher, Traute verzeiht dir, sie kannte das doch auch, diese tollefurchtbareerfüllendeanstrengendeausraubendealleszurückgebende Freiberuflerdasein …)

    Ich habe mir auch fest vorgenommen, nur noch für gute und gut zahlende Kunden zu arbeiten. Und das funktioniert.

    Heute abend kommen die Muc-Textilien zu mir, Grillen. Das nenne ich eine gute Work-Life-Balance. Und an der arbeite ich ja auch …

  2. Jo sagte:

    … in Sachen Trauer und sonstige Rückschläge, habe ich selber auch Erfahrungen gesammelt.
    Deinem “Unterton”, aus dieser Trauer verändere ich mein Verhalten geg. lebenden Personen, kann ich jedoch nicht nachvollziehen…
    Sicher, erhöhe Deine Preise, bzw. konzentriere Dich ausschließlich auf “erfolgsversprechende Projekte”, aber schieb es doch dann nicht auf den Verlust von einem Menschen.
    (ich habe für meine Trauerarbeit auch Zeit gebraucht, was mich dies dann auch bares Geld gekostet hat…, dieses meinen Kunden aber nie in Rechnung gestellt)
    Ihr “Frauen” solltet den Unterschied zwischen zwei Paar “Schuhen” schon etwas besser kennen :-)

    Viele Grüße!
    Jo

  3. Biggi sagte:

    Jo, ich schiebe das auch nicht auf den Verlust eines Menschen. Es ist nur der Anlass, der mich gestern erneut darüber nachdenken ließ. Den Veränderungsprozess an sich habe ich schon vorher begonnen, der hat damit gar nichts zu tun. Wie z.B. bereits hier angedeutet:
    https://www.mehralstext.de/index.php/blog/ideen/ehrenamt/ und ich glaube, wenn ich jetzt mal suchen würde, auch noch öfter vorher.

    Warum setzt du “Frauen” in Anführungszeichen?

  4. Tina sagte:

    Du sprichst mir aus der Seele. Der viel zu frühe Abschied von einer lebensfrohen Kollegin ist da nur ein Zeichen, aufzumerken und aufzuschauen vom Schreibtisch. Bei mir hat sich in letzter Zeit auch ein wenig mehr Gelassenheit eingestellt, aus Wertschätzung gegenüber Lebensqualität und Gesundheit. Auch wenn ich da sicher noch nicht so weit gediehen bin wie Susi und du, ich bin froh und dankbar, beizeiten nicht nur zu lernen, wie man gut und zuverlässig arbeitet, sondern auch, wie man gut und freundlich zu sich selbst ist und mit dem eigenen Leben besonnen umgeht.

  5. Jo sagte:

    Biggi, weißt Du?:
    Ja & Nein.

    Ich halte dies einfach für einen denkbar schlechten Anlass vers. Ansatz…. Sorry, denn ich kenne weder Dich, noch die verstorbene Person.
    Ich glaube Dir schon, dass sich die Überlegungenen schon eine ganze Zeit in Dir “drinn” sind…
    Was ist also “wichtig”? Die Trauer um einen Menschen, oder die (vers. Deine) Reaktion auf das eigene Leben?

    Entsprechend werte bitte auch meine
    “Anführungszeichen” gegenüber Frauen”.

    Nun, ich werfe nicht jede / jeden in eine “Tonne”, Wenngleich auch mir die Vorurteile bekannt sind :-)
    Dennoch: Nö, wirklich nicht, :-)

    Viele Grüße!
    Jo

  6. Biggi sagte:

    Meine Trauer gehört in mein eigenes Leben und damit gehören beide zusammen.

    Du hast es selbst schon gesagt, du kennst mich nicht. Deshalb zitiere ich hier einfach mal Dieter Nuhr: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Klappe halten.

  7. Hannelore sagte:

    Dieses “kannst-du-mal-eben?” von Freunden und Bekannten oder die Frage nach einem Sonderpreis kenne ich auch.
    Ich habe das Gespräch in einen anderen Blickwinkel gerückt, indem ich erklärte:
    Freunde bekommen immer einen Sonderpreis und bezahlen mehr, denn sie stehen mir näher als andere und wollen mich natürlich unterstützen, sonst kämen sie ja nicht zu mir ;-)

    Und Glückwunsch zum 3. Platz! Ich habe auch einen 3. gewonnen :-)

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