Unterwegs auf neuem Terrain – die Glosse

Einmal im Jahr treffen sich mehr als 50 Frauen aus dem Texttreff in der Abgeschiedenheit des Wendlandes. Zum Netzwerken, zur Fortbildung und auch zum Spaß haben. Tagsüber Workshops, Weiterbildung, Lernen, abends Singen, Tanzen, Essen, Trinken, Lachen. Es sind regelmäßig wunderbare vier Tage voller Inspiration und Know how.

Einer der Workshops, an denen ich in diesem Jahr teilnahm: `Glossen schreiben für Anfänger`, gehalten von meiner Kollegin Petra Plaum. Ich, die ich seit 15 Jahren schreibe, hatte noch nie eine Glosse geschrieben. Und ich war sehr sicher, dass ich das auch nicht kann. Ich kann webgerecht texten, finde manchmal ganz treffende Slogans und bin recht gut im Mailing- und Flyertexten. Aber Glossen?

Nach einer Weile der Theorie und Wissensvermittlung, machten wir uns an die Themenfindung und legten drei Themen zur Auswahl fest: Unser Treffen im Wendland, Trash-TV oder Chaos im Homeoffice. Dann wurden wir für eine halbe Stunde entlassen, um unsere erste Glosse zu schreiben. Als ich mich mit meinem Collegeblock auf den Weg zu einem ruhigen Plätzchen in der Sonne machte, war ich noch sehr sehr sicher, dass es mir nicht gelingen würde, irgendetwas aufs Papier zu bringen.

Aber was hab ich gelernt? Wenn man den Stift einfach ansetzt, seine Blicke und Gedanken schweifen lässt und es einfach fließen lässt, dann geht es doch. Und es macht echt Spaß, einfach mal so los zu schreiben. Vielleicht ist das, was entstanden ist, gar keine Glosse. Egal. Und sicher ist es auch keine sprachliche Meisterleistung. Auch egal. Aber es ist eine wunderbare Erinnerung an vier wunderbare Tage. Und zumindest die, die dabei waren, werden drüber schmunzeln können. Meine kleine Geschichte trägt den Titel: Wer braucht schon Fernsehen?

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Meine Tochter war fassungslos: „Mama, aber da gibt es doch gar keinen Fernseher! Und am Donnerstag kommt doch Germanys next Topmodel!“ Stimmt, das war ein Nachteil. Ein Fernsehgerät gibt es in der Proitzer Mühle tatsächlich nicht. Aber man kann ja nicht alles haben. Irgendwie würde es schon gehen, dass ich ein paar Tage ohne Heidi Klums Mädchen, ohne die unglaublichen Gesangstalente bei DSDS, ohne die Abenteuer von Austauschschülern bei „Auf und davon“ und auch ohne die Erlebnisse der Starpraktikanten auskomme. Und zur Lindenstraße am Sonntag wäre ich ja vielleicht schon wieder zuhause. Ich freute mich also auf mein viertägiges Netzwerktreffen in der Abgeschiedenheit des Wendlandes.

So ganz ohne Trash-TV sollte das Wochenende dann doch nicht verlebt werden. Schon bei der Ankunft stimmte mich ein Bild milde: Der blonde, überaus attraktive Praktikant der Mühle – besser als jeder Starpraktikant auf Kabel 1. Pinke Stiefel, lange Beine – wer braucht schon Germanys next Topmodels, wenn die Ritter Sisters dabei sind. Und als Britta mir zeigte, wie man auf so hochhackigen Schuhen laufen kann, fühlte sich der gepflasterte Mühlenvorhof sehr deutlich an wie ein Catwalk. Eine Kollegin bekam eine Mail ihrer Tochter: „Mama, ich gehe für ein halbes Jahr nach Neuseeland.“  ‚Auf und davon’ – mitten im Wendland.

Endlich zufrieden und jeden TV-Entzug los war ich dann am Samstag. Ich fühlte mich mitten in einer Mottoshow „Deutsche Schlager“:  Guten Morgen, guten Morgen, guten Morgen Sonnenschein, diese Nacht blieb dir verborgen, doch du sollst nicht traurig sein. Guten Morgen, Sonnensch…. So gute Laune, ganz ohne DSDS und das morgens um halb acht, direkt vor dem Bett, in dem ich noch lag.

Wie konnte ich nur denken, dass mir an diesem Wochenende Trash-TV fehlen würde? Schließlich ist doch unser Businesstreffen mit mehr als 50 Frauen aus dem Texttreff auf dem platten Land in Schnega d i e budgetsparende Lösung für RTL: An vier Tagen im Mai ist es die beste Kulisse für ‚Bauer sucht Frau’.

11 Kommentare
  1. Lilian Kura sagte:

    Biggi! Die ist FABELHAFT! Sieh einer an, das schlummern doch tatsächlich noch mehr Talente in Dir, als wir alle dachten. Das ist keine Schleimerei, sondern offensichtliche Tatsache. Daumen hoch!

  2. Heide sagte:

    Hach, das lässt diese wundervollen Tag wieder aufleben – klasse geschrieben, Biggi, danke! Ich will bitte mehr davon lesen!

  3. Tina sagte:

    Oh, das ist großartig! :-) Glossen gehören auf jeden Fall in dein Repertoire! Zugabe, Zugabe!

    Wie trefflich: Die charismatischen Beauties, der Catwalk auf dem Kopfsteinpflaster, der schöne scheue Mühlenpraktikant als Castingstar (der hätte mit seinem Einradauftritt auch gleich als Supertalent durchgehen können, da fehlte vielleicht nur die Mundharmonika), die Chartshow zum Motto “die größten Mühlen-Schlager”, die Spontanauswanderung, … Doch, da war alles dabei – in echt!

    Danke dir fürs Teilen der süßen Geschichte, ich hab mich richtig drin gesuhlt – wie die kleinen Wildschweine aus dem “wilden Wohnzimmer”! Ergänzen möchte ich noch um Promi-Dinner, Dokus zu XXL-Restaurants und Elke Zwegerts Workshop zu “Raus aus den Schulden” … ;-)

  4. Elke Hesse sagte:

    An vier Tagen im Mai ist es die beste Kulisse für ‚Bauer sucht Frau’.

    Biggi, bist du wahnsinnig! Wenn einer von denen (RTL) das hier liest, gibt es nächstes Jahr einen Treckerstau vor der Proitzer Mühle. Und statt sexy blondem Portugiesen dicke bullenschädlige Schweinezüchter, denen beim Wort TEXT automatisch was ganz anderes vor Augen flimmert als wir … :-))))
    Schöne Glosse! Du hast nur vergessen zu erwähnen, dass du wie bei Big Brother im Container mit zwei anderen Textinen schlafen musstest und darauf bestehst, nächstes Jahr ein Einzelzimmer zu kriegen …

  5. Jutta sagte:

    **fg**
    Liest sich fast so gut, wie es – mit unnachamlicher Stimme vorgetragen – damals klang! Mein Gott, das ist ja schon wieder fast 2 Wochen her…

    Und Biggi, vergiss nicht: Du bist klug und TEXTY!

  6. Elke Fleing sagte:

    Ach Biggi, ich hör dich noch vor dem Wendland: Glossen schreiben – “Hmmm, das würde ich ja auch gern können. Liegt mir aber leider gar nicht.” Liegt dir doch. Bin beim Lesen sofort wieder da gewesen.

    Schöne Geschichte! So.

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