Wachstum hat Tücken
Jeder Dienstleister, jedes Unternehmen wächst gerne. Ist ja quasi ein ganz natürliches Ziel im Business. Wenn einem das dann gelingt und plötzlich mehr Aufträge da sind, der Kundenstamm wächst, die Projekte größer werden, hat man in aller Regel zunächst diverse Probleme, sich auf die neue Lage einzustellen. Ich merke das selbst derzeit ganz deutlich. Da gehen Emails unter, werden erschlagen von dem Berg, der folgt und erste Anfragen kommen:
Haben Sie meine Mail nicht bekommen?
Oops – doch sicher, ich bin nur noch nicht dazu gekommen, zu antworten. Wollte ich aber heute tun…
So geht es mir in der letzten Zeit häufiger. Vielleicht kommen die Nachfragen auch deshalb schneller, weil die Leute es eben gewöhnt sind, dass ich bisher immer relativ schnell, um nicht zu sagen, meist sofort, geantwortet habe. Dazu ist aber nicht mehr ständig die Zeit, wenn man sich auf große Projekte konzentrieren muss. Wenn vier Projekte gleichzeitig in Bearbeitung sind. Wenn sich der Schreibtisch biegt.
Ich bin deshalb dabei, meine Strukturen zu überarbeiten. Eine neue Büroorganisation zu etablieren und auch mein Portfolio anzupassen. Ich hab lange überlegt, wie ich dieses Wachstum in den Griff bekomme und nun für mich entschieden, dass dies nicht durch Einstellungen von festen Mitarbeitern geschehen wird. (Zuarbeitern, Aus- und Haushaltshilfen etc. schon, aber eben keine Angestellten) Denn grundsätzlich möchte ich weiter so arbeiten, wie ich es seit 12 Jahren tue: Allein und nur für mich verantwortlich. Alles andere würde mich, da bin ich sicher, mehr blockieren als entlasten. Zumindest sehe ich das in diesem Moment so…
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Dass es anderen Dienstleistern mit dem Wachstum genau so geht, erlebe ich öfter. Was mich nur wundert, denen geht es oft so, obwohl sie den anderen Weg gegangen und personell gewachsen sind. So hab ich Verträge mit einem Dienstleister, den ich jahrelang gefragt und ungefragt wegen seines prompten und persönlichen Supports gelobt habe. Jede noch so kleine oder auch dumme DAU-Anfrage (DAU=dümmster anzunehmender User=ICH) wurde stets schnell, freundlich und kompetent beantwortet. Ich war so überzeugt, dass ich mit all meinen Projekten von einem wirklich großen Unternehmen zum teureren kleinen umgezogen bin. Eben wegen jenes Vorteils: persönlicher Ansprechpartner, schneller Support.
Mein kleiner Dienstleister ist gewachsen. Das sei ihm von Herzen gegönnt. Blöd ist nur – seitdem man an team@… mailen soll, seitdem es also Zuwachs, ein Team dort gibt, werden mails auch schon mal gar nicht mehr beantwortet. Noch nicht mal mit “Deine Frage ist so doof, dafür hab ich jetzt keine Zeit.” Selbst diese Antwort wäre ja besser als gar keine. USP: Persönliche Betreuung und prompter Service. Hm. Wenn der wegfällt, ist das fast schlimmer, als wenn man das Kontaktformular eines Konzerns ausfüllt und von vorneherein weiß, dass da jetzt erst mal ne automatische Antwort kommt und mit der echten Antwort erst nach etwa einer Woche zu rechnen ist. Dafür zahlt man dort ja auch weniger…
Und was mich auch gestört hat: Mangelnde Kommunikation. Wenn ich plötzlich jemanden für mein Büro einstelle, der oder die dann auch an meiner Stelle Emails beantwortet, dann informiere ich meine Kunden zuvor über den Zuwachs und die geänderten Strukturen. Ich möchte nicht, dass ein Stammkunde, dem ich seit vielen vielen Jahren sehr vertraut maile und mit dem ich auch per Du bin, an mich schreibt: “Liebe Biggi, kannst du mal das und das für mich tun….. ach und übrigens – weißt du noch… wir sollten uns mal wieder treffen. Und wie geht es XY? Uns gehts gut, wir haben nur neulich… ” und dann eine Antwort bekommt: Sehr geehrter Herr Muster, ich teile Ihnen mit, dass… ” Der Laie staunt, die Fachfrau wundert sich…
Weniger Service, keine offiziellen Infos über geänderte Strukturen, nur eine neue Email-Adresse, die Raum für Vermutungen lässt. Recherchier doch, dummer Kunde, guck nach auf unserer Website. Da steht doch alles. Bist du doch selbst Schuld, wenn du da nicht regelmäßig guckst, ob sich was Neues tut. Oder wie?
Wenn dann auch noch der Kopf dieses Unternehmens einer deiner ältesten und längsten Netzwerkkontakte ist, dann macht das die Sache nicht besser.
Hmmmmmmmmmm. Verstehe ich. Und sehe/erlebe es ganz genauso. ;-/