Vom Umgang mit Kunden

„Und warum sagst du ihm das?“ fragte mich neulich ein Kollege, als ich erzählte, dass ich einem Kunden ein Marketingbuch empfohlen hatte, das ich gerade begeistert gelesen hatte.

„Ja, warum denn nicht?“ fragte ich irritiert. „Damit er es auch liest.“

Der Kollege aber meinte, damit würde ich mich doch überflüssig machen. Wieviel besser wäre es, das Know how aus dem Buch dem Kunden zur Verfügung zu stellen. Gegen bare Münze selbstredend. Man könne doch viel überzeugender mit Wissen glänzen, wenn das Gegenüber nicht weiß, was man selbst weiß. Und wenn der Andere nicht weiß, dass man das selbst auch „nur gelesen“ hat.

Hä?

Hier prallen zwei Auffassungen aufeinander, wie sie unterschiedlicher nicht sein können.

Auffassung A: Halte deinen Kunden klein und dumm – so wird er dir zeitlebens ein kleiner, grauer Goldesel und – vielleicht – treu bleiben.

Auffassung B: Mache deinen Kunden groß, klug und stark – so wird er zu einem erfolgreichen Unternehmen wachsen und dir – vielleicht – treu bleiben.

Also ich schreibe gerne Mailings für kleine Zielgruppen, Flyer für eine Postwurfsendung im Bereich 41366 oder einen Claim für das Plakat auf der Unternehmerinnenmesse in Hintertupfingen. Aber ganz ehrlich: Lieber erarbeite ich große, bedeutende Kampagnen, wertige Imagebroschüren, Slogans mit weltweitem Nutzungsrecht und Websites, die in fünf Sprachen übersetzt werden. :-)

Im Ernst jetzt – mir selbst ist das vor einigen Jahren auch mal so gegangen, dass ich ganz einfach falsch beraten war in der Wahl eines Dienstleisters. Ich zahlte monatelang für Dinge, die ich eigentlich auch selbst hätte machen können. Ich wusste es nur nicht. Also ich wusste nichts von Tools und Techniken, die es auch einem Technik-DAU wie mir möglich machen, z.B. eine Website selbst zu pflegen. Hätte ich damals einen Dienstleister gehabt, der mir von Anfang an ein ganz anderes System empfohlen hätte, wäre ein Projekt sehr viel schneller sehr viel erfolgreicher geworden. So aber habe ich mich dumm und dusselig gezahlt an Wartungsverträgen, Website-Pflege, Aktualisierungen etc., dass keine finanzielle Luft mehr blieb für Investitionen ins Wachstum. (Das ist jetzt keine Kritik am damaligen Dienstleister, ich glaub, der wusste es selbst nicht besser. Sondern an meiner eigenen schlechten Vorbereitung damals.) Die Folge – irgendwann war der Dienstleister mich los und das Projekt schlief ein. Ich konnte es mir einfach nicht mehr leisten.

Dennoch gibt es – wie mein Gespräch mit dem Kollegen zeigt – immer noch Dienstleister, die ihren Kunden Wissen nur häppchenweise präsentieren, oder die statische HTML-Seiten verkaufen, mit denen der Kunde nichts selbst machen kann, außer sich darstellen. Und das ist in meinen Augen nicht nur unmodern, sondern ganz einfach am Kundenerfolg vorbei geplant. Und auch am eigenen.

Im Marketing gilt dasselbe. Je mehr ein Kunde von dem weiß, was ich weiß, desto aufgeschlossener wird er gegenüber neuen Strategien, neuen Ideen und auch unkonventionellen Methoden sein. Desto mutiger wird er auch Texte jenseits des Mainstreams einsetzen, Texte die auffallen. Und desto größer wird sein Erfolg sein.

Das ist zumindest meine Theorie und mein Ansatz. Darauf setze ich unbeirrt. Ich werde also auch weiterhin Lektürempfehlungen geben und Wissensquellen nennen, wann immer es sich anbietet. TXT soll einfach weiter wachsen. Und das geht nur, wenn meine Kunden es auch tun.

2 Kommentare
  1. Jens Grochtdreis sagte:

    Sehr gute Einstellung. Es gibt in unserer Branche eh kein Geheimwissen. Es gibt nur Wissen, das man noch nicht entdekct und für sich erschlossen hat.
    Ich bevorzuge auch, mit offenen Karten zu spielen. Ehrlichkeit sollte oberstes Gebot eines Dienstleisters sein, denn wenn Unehrlichkeit erst einmal aufgedeckt wird, dann ist man den Kunden schnell wieder los.

    Und mal ganz ehrich: welche Kunden lesen denn tatsächlich die Fachlektüre so intensiv, daß sie sie selber anwenden können und würden? Man hat schon aus konkreten Gründen einen Dienstleister. Doch wenn der Kunde am eigenen Wissen partizipiert, hat man auch eher eine gemeinsame Verständigungsebene. Das kann für die Umsetzung der eigenen Ideen von Vorteil sein.

  2. Biggi sagte:

    Ja, oder eben nicht immer dasselbe für die gleichen Leute, sondern beständig mehr und größere und interessante Sachen für die gleichen Leute. Wenn ein guter Kunde immer größer wird, ist ja mein Schaden nicht. Er wird mich doch dann weiter beauftragen. Mit immer größeren Geschichten. Und immer besser zahlen können…

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