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Richtige Entscheidung

Die Webgrrls waren mein allererstes Netzwerk. Als ich Ende der 90er Jahre dort eintrat, wusste ich noch gar nicht, was Netzwerken ist. Dort habe ich es von der Pike auf gelernt. In den ersten Jahren war das für mich beeindruckend. Damals waren es viele viele tausend Frauen (ich glaub roundabout 11.000 – ohne Gewähr…), die sich austauschten, gegenseitig halfen und unterstützten. Ein bunt gemischter Haufen. Ich habe viel gelernt, mein Geschäft in der Zeit auch Hilfe der Grrls richtig ans Laufen gebracht. Hab viel gegeben, mich engagiert, wo ich konnte und ich hab auch viel bekommen.

Dann wollte man das Netzwerk professionalisieren, wollte den Fokus deutlicher auf Internet und Web-Working legen. Man machte aus dem Netzwerk Webgrrls den Verein webgrrls e.V. Mit Jahresbeitrag, Vorstand, Satzung und allem Pipapo. In der Folge wurde erst mal zwei Jahre lang über Satzungen und ihre Paragraphen diskutiert. Da blieb natürlich nur noch wenig Zeit zum Netzwerken.

Dazu kam – das Netzwerk schrumpfte auf einige hundert Mitgliedsfrauen. Es war einfach nicht mehr viel los. Ich bin nicht der Meinung, dass es viele 1000 Frauen braucht, um ein lebendiges Netzwerk zu gestalten, ich bin auch für Klasse statt Masse. Aber man muss der Klasse auch Gelegenheit zum Austausch geben. Aber man hielt bei aller Veränderung am alten Prinzip der ZF fest.

ZF = Zusammenfassung. Dahinter verbirgt sich das Webgrrls-Prinzip: eine Frau mailt eine Frage in die Mailingliste an alle Frauen. Geantwortet wird aber nicht in die Liste, sondern an die Fragende privat, die dann zum Dank eine Zusammenfassung aller Antworten macht und wieder in die Liste schickt. Das war ein richtig gutes Prinzip. Damals. Als noch zehntausend und mehr Frauen dabei waren. Anders wäre es auch gar nicht gegangen. Aber bei ein paar hundert Frauen ist ein solches Prinzip schlicht falsch. Und so kam es, dass sich Mails häuften: Es tut mir leid, keine ZF,weil ich keine Antworten bekommen habe. Ich hätte ja die Listen geöffnet und das ZF-Prinzip abgeschafft. Und ich bin sicher, ich bin nicht die einzige… Das hätte wieder Leben in die Bude gebracht.

Dazu kommt der Umstand, dass seit einer gefühlten Ewigkeit an einer neuen Website gearbeitet wird, mit der alles besser werden sollte. Seit zwei Jahren? Oder länger? Keine Ahnung. Auf jeden Fall haarsträubend lange. Erst recht vor dem Hintergrund, dass dieses Portal nicht nur ehrenamtlich entsteht, sondern für richtig VIEL Geld über den Tisch geht.

Nicht nur, weil ich sehe, wie es im Texttreff läuft, wie anders, wie lebendig, wie hilfreich in allen Lebenslagen dort agiert wird und in welcher Zeit und Qualität das Texttreff-Portal von Carola und Oliver Heine gebaut worden ist. Nahezu ehrenamtlich übrigens… nicht nur deshalb hab ich schon länger meine Zweifel an der Zukunft der Webgrrls.

Ich hab schon letztes Jahr darüber nachgedacht, das Netzwerk zu verlassen. Aber ich hatte den Kündigungstermin verpasst und so blieb ich ein weiteres Jahr. Wenn auch Wehmut mitschwang – schließlich sind die Webgrrls für mich quasi die Mutter aller Netzwerke, ohne die Grrls wäre ich heute nicht da, wo ich bin – aber ich fühlte mich dort einfach nicht mehr Zuhause. Also legte ich mir Anfang 2007 die Kündigung auf Wiedervorlage, um nicht wieder den Termin zu verpassen.

Immer noch aber hoffte ich, dass sich im Laufe des Jahres etwas ändern würde. Was leider nicht geschah. Wahlbeteiligungen von unter zehn Prozent. Diskussionen? Fehlanzeige. Lebendiges Listenleben? Nö. Und immer noch keine neue Website. Ich kündigte.

An meinem letzten Arbeitstag in diesem Jahr schickte ich diese Mail in die Liste:

Liebe Webgrrls,

ich möchte mich verabschieden – zum Jahresende verlasse ich das Netzwerk.

Ein wenig mit einem weinenden Auge, denn ich bin schon seit vielen vielen Jahren dabei, lange bevor die Grrls ein e.V. wurden. Bei den Webgrrls hab ich das Netzwerken gelernt, hab viel gegeben, aber auch sehr sehr viel bekommen und viele gute und fruchtbare Beziehungen sind für mich hier entstanden.

Aber jetzt bin ich an einem Punkt, wo ich mich hier nicht mehr Zuhause fühle. Die meisten Mails betreffen mich nicht, ich kann wenig bis nichts beitragen. Außerdem fehlt mir vor allem die Lebendigkeit… Und deshalb hab ich für mich nun die Konsequenzen gezogen.

Das Netz hat viele Orte der Begegnung – so bin ich sicher, wir treffen und lesen uns an der ein oder anderen Stelle wieder. Vielleicht ja auch im real life. Ich würde mich freuen!

Ich wünsch euch allen alles Gute und natürlich frohe Weihnachten und ein gesundes, erfolgreiches Jahr 2008!

Herzliche Grüße und vielen Dank für alles!

Biggi Mestmäcker

Ich habe auf diese Mail keine – in Worten: KEINE – Reaktion erhalten. Das hat mir gleichermaßen weh getan wie mich bestätigt. Weh getan deshalb, weil ich eigentlich dachte, es berührt jemanden dort, wenn ich gehe. Nicht, weil ich so toll oder so wichtig bin. Nein. Sicher nicht. Aber immerhin bin ich dort seit 1999 aktiv dabei gewesen und hab mich richtig verbunden gefühlt. Und nun sagt nicht eine einzige dieser Frauen tschüss? Das gibt schon zu denken und ja, das tut auch weh und kratzt am Ego. Andererseits aber zeigt es mir sehr deutlich: Das war die richtige Entscheidung. Mein Gefühl hat mich nicht getäuscht, ich gehöre dort einfach nicht mehr hin. Und ein Vereinsmeier war ich sowieso noch nie.