Oma drängelt

Meine Tochter1 plante ein Auslandsjahr und tatsächlich, es kam der Tag, an dem sie abflog. Ein Jahr Argentinien. Niemand wusste genau, wie dieses Jahr werden würde, alle waren gespannt. Nur Oma wusste eines ganz sicher: „Ich brauche jetzt so einen Apparat.“

Schließlich schrieb Enkelin1 mehr oder weniger regelmäßig im Internet auf so einer Seite und manchmal zeigte sie auch Bilder in so einem Fotoalbum. Oma wollte teilhaben am Leben von Enkelin1, wollte aber nicht ständig zwei Orte weiter zu ihrer Tochter1 fahren. Denn nur dort gab es dieses Internet, in dem Enkelin1 jetzt lebte. Das sollte sich ändern. 

Omas Tochter1 und Tochter2 entschieden spontan: Wir kaufen Oma ein Notebook.

Als die beiden Frauen ihrer Mutter zum ersten Mal eine kleine Einweisung in die Benutzung eines Notebooks gaben, wurde ihnen erst klar, dass die Oma noch nie vor einer Tastatur gesessen, geschweige denn eine bedient hatte, noch nie eine Computermaus in der Hand hatte und auf die Anweisung: „Jetzt klickst du bitte auf den Link“ nur mit einem fragenden Blick reagierte. Link? Hä? Wo. Was’n das?

Aber Oma war willig und übte eisern. Schon bald konnte sie mit der eigens für sie eingerichteten Oberfläche die Blogs ihrer Lieben problemlos erreichen und auch Emails schrieb sie. Immer wieder kamen Fragen und so manches Mal hätte ich schrecklich gerne darüber gebloggt, denn vieles war wirklich richtig lustig. Aber das ging ja nicht. Dachte ich. Oma liest ja jetzt hier mit.

Heute waren Tochter1 und Tochter2, also meine Schwester und ich mit unserer Mutter zum Essen und saßen einige Stunden beisammen. Wir sprachen auch über den Apparat und seine Tücken und wir lachten herzlich. Oma auch über sich. Wir lachten zum Beispiel als Oma sagte: Ich war jetzt drei Mal bei diesem Computerkurs für Senioren, aber da geh ich jetzt nicht mehr hin. Ich kann doch schon alles, was sollen die mir jetzt noch beibringen? ;-)

Vergessen die Zeiten, als es noch anders war. Als Oma ganz aufgeregt anrief: Biggi, ich hab doch der Jana jetzt schon so viele Emails nach Argentinien geschickt, ich glaub, die hat sie gar nicht bekommen. Ich hab hier mal in meinem Apparat rumgeklickt und hab gesehen: Die sind alle noch da!!!!!!  :-)I

Oder als sie sagte – ich würde der Frau XY ja jetzt gerne eine Email schreiben, aber kann ich da wohl um 21 Uhr noch stören? ;-)

Vergessen auch die Zeiten, als sie nicht auf Anhieb den Knopf fand, der das Laufwerk öffnete, weil sie eine CD wieder entfernen wollte. Fernmündlich kamen wir zu keiner Lösung, die CD blieb versteckt, als Oma sagte: Ich kann es ja mal mit einer Nagelfeile versuchen. Nur mein sehr lauter Schrei überzeugte sie dann doch spontan davon, den Apparat besser in ein Frotteehandtuch einzuschlagen und mit ihm zu mir zu fahren, damit ich das Problem löse.

Vergessen sind aber auch die Zeiten, in denen ich dachte, ich darf hier nicht über Omas Computererlebnisse bloggen, weil sie hier schließlich nun auch liest. Seit heute weiß ich – ich SOLL SOGAR. Denn beim Essen heute Abend sagte sie: Biggi, ich gehe jeden Tag in dein Blog, aber immer noch ist da dieser Evangelisch-Beitrag. Der ist schon so viele Tage alt. Immer guck ich rein, nie ist was passiert. Du könntest ja nun wirklich mal was Neues schreiben.

Mutti – dieser Beitrag ist nur für dich.

:-)

21 Kommentare
  1. Biggi sagte:

    Falls eines nicht klar wurde – meine Schwester und ich sind saustolz auf unsere Mutter, dass sie sich der Herausforderung Computer gestellt hat und die Kiste täglich aufs Neue bändigt. Und dass sie es mit Humor nimmt, wenn mal was nicht klappt.

    Übrigens fragte sie heute ganz interessiert: Was ist denn Twitter? Vielleicht kriegt die Twittergemeinde ja bald Zuwachs. ;-)

  2. Tina sagte:

    Ich bin entzückt! :-) Weiter so, Oma Nummer 1!
    Meine Mutter ist da leider (noch?) ziemlich zurückhaltend …

  3. margret sagte:

    hoffentlich kappt es jetzt. habe immer die email adresse falsch.ist doch super wenn man über sich selber lachen kann.  ps ich habe auch immer die leertaste gedrückt. nächstens versuche ich auch groß und klein zu schreiben.

  4. Elke sagte:

    Hallo Magret (ich nenn sie jetzt einfach mal beim Vornamen, wenn ich darf),

    bei dem Lerneifer, den Sie zeigen, wird das mit dem Groß- und Kleinschreiben auch bald klappen, da bin ich sicher. Ich finde es ganz wunderbar, wenn man über sich selbst lachen kann und ich finde es noch viel wunderbarer, wenn man sein ganzes Leben lang offen für Neues bleibt, so wie Sie das tun, ;-)  Ich kenne nur eine Tochter von Ihnen, aber die mag ich wirklich sehr, bin deshalb sicher, die zweite ist Ihnen auch wohlgeraten, ;-). Seien Sie also stolz auf sich und wer weiß, vielleicht machen Sie Biggi bald Konkurrenz und schreiben Ihr eigenes Blog. Ich wäre Ihre erste Leserin! Liebe Grüße, Elke

  5. Elke sagte:

    Und das passiert, wenn man nicht mehr ordentlich Korrektur liest: Hallo Margret, wollte ich natürlich sagen …

  6. Biggi sagte:

    Ich fass es ja nicht. :-)))))))))))))))))

    Du solltest über Autogrammkarten nachdenken.

    Oder vielleicht doch ein eigenes Blog? Brauchst du nur zu sagen. Mach ich dir sofort. Aber Achtung – ich bin sicher, dann wirst du berühmt. :-)

  7. BFreith sagte:

    Sollte es eine Blog-Abonnenten-Warteliste geben, stehe ich hiermit auf Platz 1 :-)

    Und ich biete selbstverständlich einen gemütlichen Platz auf meiner Blogroll an.

  8. Tina sagte:

    Ich auch, ich auch! (Also ich nehme Autogrammkarte, abonniere Blog und biete Plätzchen in der Blogroll – vielleicht im Austausch gegen Plätzchenrezepte. ;-))

  9. Julia sagte:

    Wie sympaaaaathisch. :-) Vielleicht darf ich ein Anekdötchen meiner eigenen Mum hinzufügen? Als ich kurz vor meinem Auslandsjahr in der Tschechischen Republik stand, drängte meine Mutter mich, mir endlich ein Handy zuzulegen, damit sie mich dort anrufen könnte. Ich weigerte mich aber standhaft. Also sagte ich, sie solle mir einfach eine E-Mail schreiben, dann würde ich eben sie anrufen, wenn sie mich denn sprechen wolle. Und sie fragte ganz besorgt: “Und woher weiß ich, wie deine E-Mail-Adresse in Tschechien lautet?”

    (Das erinnert mich glatt an die Anekdote, als eine französische Freundin Anfang 2002 aus dem Silvesterurlaub bei ihrer Familie nach Deutschland zurückkehrte –  zwischenzeitig hatte es die Euro-Einführung gegeben. Und die Kassiererin im Marburger Supermarkt, bei der sie mit ihren Euros, die sie aus Frankreich mitgebracht hatte, zahlen wollte, rief entrüstet “Junge Dame, sie brauchen hier natürlich deutsche Euros!” Passt aber gar nicht zum Thema, gelle? ;-))

  10. Martina sagte:

    Wie wunderbar! Du hast eine tolle Mutter, Biggi. Eine ganz besonders tolle Mutter.
    Hut ab, Frau Margarete, ich finde Sie klasse!

  11. sue sagte:

    Lautes lachen hier wegen so mancher Passagen. Im Haus wohnt auch eine ältere Frau, die mit 60 meinte, wegen ihrer Enkelin einen PC haben zu müssen. Unvergessen die Tränen in ihren Augen und der Satz ‘Ich bringe das Ding wieder weg, ich bin zu dumm’… unvergessen die scheinbar nicht funktionierende Maus, die sie wie eine Fernbedienung halten wollte.

    Das ist ca 4 oder 5 Jahre her… inzwischen fährt sie zu ihrer Tochter (Mitte 40 und pc-technisch ahnungslos) und installiert dort Drucker oder richtet neue Internetzugänge ein. Manchmal kommt sie noch fragen wegen Updates oder weil das Internet nicht geht (hängt bei mir per WLAN dran), aber sie kommt immer seltener.
    Ich habe nie vergessen, wie sie angefangen hat, habe damals abgewinkt (das wird schon), hab ihren Rechner mehrfach wieder zum laufen gebracht nach den ersten verunglückten Installationsversuchen (beruhigend für sie zu wissen, dass jemand immer helfen kann) – aber sie hat nie aufgegeben und dafür ziehe ich wirklich den hut vor ihr.

  12. Regina Herbstfrau sagte:

    ich finds auch toll und ich kann alles sehr gut nachvollziehen. Ohne PC und Internet gibt es für mich( 64 ) keinen Tagesanfang.
    Der erste Virus, den ich abbekam, weil ich neugierig JEDE mail öffnete, versetzte michin Panik, mein Sohn war zur Stelle… und ich erinnere mich an meine Begriffsstutzigkeit -Host wird gesucht- sollte das Horst heißen;-))))))

    ja, das Internet ist toll und es hält jung und die grauen Zellen freuen sich über immer neue Nahrung.

    Viele Grüße an Oma von einer Oma

  13. Angelika sagte:

    meine Mutter hats auch mit 66 noch gepackt und zuvor noch nie ne Maus bewegt. Jetzt, knapp 3 Jahre später hat sie mich zum Kauf eines neuen iMac gedrängt, damit sie den alten (erst 2 Jahre alt ) abstauben kann, weil das bei ebay ersteigerte Vorgängermodell ja sooo langsam geworden ist. Sie hat nun Kontakte zu allen möglichen Leuten und völlig neue Gesprächsthemen und ist ständig am dazulernen, dass ich nur so staune. Bis auf einmal konnte jedes Problem telefonisch geklärt werden, da hat ein echtes Talent geschlummert. Und das eine Mal, als er dann doch hin- und hergeschickt werden musste hat sie 3 Tage lang gejammert.

    Viele Grüsse!

  14. Friederike Hug sagte:

    Danke liebe Regina, für diese so liebevoll erzählte Geschichte. Ich kann mich gut in Deine Mama hineinversetzen: vor etwa 13 Monaten war eine Maus für mich auch noch ein niedliches Tier mit Kulleraugen und einem langen dünnen Schwanz. Ein mail zu schreiben eine wahre Meisterleistung! Als ich zum ersten Mal die einjährige Tochter meines Neffen in Schottland auf dem Bildschirm sah, brach ich in Begeisterungstränen aus. Mein Start bei Yasni war auch alles andere als rühmlich….ich klickte wie verrückt auf den Doppelherzsmiley, aber die Zahl daneben änderte sich nicht. Als dann die erste “Mahnung” kam, kapierte ich endlich, daß ich nur den Nippel durch die Lasche ziehen muß :-)). Für viele ältere Menschen könnte der Pc wieder eine wunderbare Öffnung zur Außenwelt sein. LG Friederike

  15. Regina sagte:

    Huch?
    Friederike? Du ? Ist das etwa dein Blog?Nö doch nicht…aber du bist es tatsächlich… So klein ist die Welt! LG rüber zu dir!

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